II Ermessensentscheide in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen sowie wesentliche annahmen und Schätzungsunsicherheiten

Aktuelle Risikosituation

1.1 Rechtliche Unsicherheiten

Verschiedene in- und ausländische Restriktionen könnten dazu führen, dass die Flughafen Zürich AG ihre Infrastrukturen nicht vollumfänglich nutzen kann respektive Zusatzinvestitionen und Kosten tragen muss. Dazu zählen unter anderem:

  • Regelung über die Nutzung des süddeutschen Luftraums
  • Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL)
  • Investitionen zur Reduktion der betrieblichen Komplexität
  • Jährlicher Nachweis der Lärmbelastung
  • Zürcher Fluglärm-Index (ZFI)
  • Wegfall der bilateralen Verträge mit der EU

1.2 Nachfragerückgang

Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass der Luftverkehr ein wachsendes, wenn auch volatiles Geschäft ist, das sensitiv auf externe Ereignisse wie zum Beispiel Wirtschaftskrisen, Terror­anschläge oder Epidemien reagiert. Solche Ereignisse könnten vor­übergehend zu einem Nachfragerückgang am Flughafen Zürich führen. Darüber hinaus können auch weitere externe Faktoren wie beispielsweise das politische und makroökonomische Umfeld die Nach­frage sowohl im aviatischen wie auch im nicht aviatischen Geschäft am Flughafen Zürich negativ beeinflussen.

1.3 Steigende Safety- und Security-Anforderungen

Zusätzliche Safety- und Security-Auflagen können zu steigenden Kosten und reduzierten Erträgen oder Änderungen in der Kapazität führen. Während ein Teil der höheren Kosten allenfalls zeitverzögert durch höhere Gebühren kompensiert beziehungsweise refinanziert werden kann, wird bei anderen Elementen ein negativer Einfluss auf das Ergebnis nicht ausgeschlossen.

1.4 Betriebsunterbrechung aufgrund operationeller Ereignisse oder Naturgefahren

Der komplexe und eng verflochtene Flughafenbetrieb kann durch operationelle Ereignisse wie Unfälle oder Ausfälle kritischer Systeme empfindlich gestört werden. Je nach Ausmass der Beeinträchtigung muss der Betrieb zur Wahrung der Sicherheit von Reisenden und Flughafenmitarbeitenden eingeschränkt oder gar eingestellt werden. Die grossflächig angelegte Flughafeninfrastruktur ist Naturgefahren – insbesondere Erdbeben und Überflutung nach schweren Niederschlägen – besonders stark ausgesetzt. Um das Risiko klein zu halten, werden Infrastruktur und Betrieb robust gestaltet und soweit möglich kosteneffizient durch Sach- und Betriebsunterbruchsversicherungen abgedeckt.

1.5 Hub Carrier

Wie jeder andere Umsteigeflughafen ist Zürich in erheblichem Masse von der betrieblichen und finanziellen Entwicklung seines Hub Carrier Swiss (beziehungsweise dessen Muttergesellschaft Lufthansa) abhängig. Die Fluggesellschaft Swiss ist der bedeutendste Kunde der Flughafen Zürich AG. Im Berichtsjahr betrug der Anteil der Swiss beim Passagiervolumen rund 52%. Die Swiss steuert innerhalb des Lufthansa-Konzerns überdurchschnittlich zum Gewinn bei, weshalb das Risiko eines Ausfalls des Hub Carrier aus wirtschaftlichen Gründen momentan als gering einzuschätzen ist. Kapazitätsreduktionen können jedoch nie ausgeschlossen werden.

1.6 Bilanzierung der Kosten im Zusammenhang mit der Lärmthematik

Die bilanzielle Behandlung der Lärmthematik ist von hoher Komplexität. Insbesondere der Bereich der formellen Enteignungen erfordert wesentliche Annahmen und Einschätzungen in Bezug auf die Aktivierungsfähigkeit entsprechender Kosten sowie die Pflicht zur Bildung entsprechender Rückstellungen. Die Komplexität ergibt sich aus der Vielzahl der rechtlich relevanten Grundlagen sowie der unsicheren beziehungsweise teilweise noch offenen Rechtsprechung und der politischen Diskussionen.

Die durch das Bundesgericht im ersten Halbjahr 2008 entschiedenen Grundsatzfragen hinsichtlich formeller Enteignungen ermöglichten es der Flughafen Zürich AG erstmals – mit allen nach wie vor verbleibenden Unsicherheiten in der Schätzgenauigkeit – eine zuver­lässige Schätzung der Gesamtkosten für formelle Enteignungs­entschädigungen vorzunehmen. Mit weiteren Urteilen vom 8. Juni 2010 und vom 9. Dezember 2011 setzte das Bundesgericht den Stichtag für die Vorhersehbarkeit der Ostanflüge definitiv auf den 1. Januar 1961 fest und entschied abschliessend über die anzuwendende Berechnungs­methode für Minderwerte bei Ertragsliegenschaften.

Gestützt auf diese Bundesgerichtsentscheide und weitere seither letztinstanzlich entschiedene Grundsatzfragen nahm die Gesellschaft per Ende 2010 und 2011 je eine Neueinschätzung der Kosten für formelle Enteignungen vor, was jeweils zur Anpassung der Rückstellung für formelle Enteignungen und gleichzeitig des immateriellen Vermögens­werts aus Recht zur formellen Enteignung führte.

Im ersten Halbjahr 2016 fällte das Bundesgericht zwei Entscheide in Pilotverfahren betreffend Entschädigungsforderungen aufgrund von Ost- und Südanflügen. Mit diesen Entscheiden wurden wichtige Fragen für die weitere Bearbeitung noch pendenter Entschädigungsforderungen in letzter Instanz geklärt und damit die Rechtssicherheit massgeblich erhöht. Diese Bundesgerichtsentscheide ermöglichten der Flughafen Zürich AG eine erneute Neueinschätzung der noch ausstehenden Kosten für formelle Enteignungsentschädigungen. Basierend auf der vorgenommenen Neuberechnung mit geschätzten Kosten für formelle Enteignungen in Höhe von CHF 385.0 Mio. konnte die Rückstellung für formelle Enteignungen per 30. Juni 2016 um CHF 21.5 Mio. reduziert werden. Gleichzeitig wurde der immaterielle Vermögenswert aus Recht zur formellen Enteignung um denselben Betrag vermindert.

Per Bilanzstichtag betragen die geschätzten Kosten für formelle Enteignungen unverändert CHF 385.0 Mio., wovon CHF 63.9 Mio. zu diesem Zeitpunkt bereits ausbezahlt worden sind. Die noch ausstehenden Kosten in der Höhe von CHF 321.1 Mio. (Nominalwert) sind in der Konzernrechnung per 31. Dezember 2017 zum Barwert von CHF 316.6 Mio. ausgewiesen.

Im Bereich der Lärm- und Anwohnerschutzmassnahmen verpflichtete das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) die Flughafen Zürich AG im Zusammenhang mit dem Gesuch zum Betriebsreglement 2014, bis Ende Juni 2015 ein erweitertes Schallschutzprogramm einzureichen. Gestützt auf die durch das BAZL verfügte zulässige Lärmbelastung und unter Berücksichtigung der beim BAZL noch hängigen Änderungen im Rahmen des Betriebsreglements 2014 hat die Gesellschaft fristgerecht das Schallschutz­programm 2015 eingereicht. In diesem Zusammenhang verabschiedete der Verwaltungsrat an seiner Sitzung vom 22. Juni 2015 zusätzlich zu den bisher geschätzten Kosten von CHF 240 Mio. für den Lärm- und Anwohnerschutz weitere Massnahmen in der Höhe von CHF 100 Mio.

Per Bilanzstichtag betragen die geschätzten Kosten für Lärm- und Anwohnerschutzmassnahmen unverändert CHF 340.0 Mio., wovon CHF 236.5 Mio. zu diesem Zeitpunkt bereits ausbezahlt worden sind. Die noch ausstehenden Kosten in der Höhe von CHF 103.5 Mio. (Nominalwert) sind in der Konzernrechnung per 31. Dezember 2017 zum Barwert von CHF 102.7 Mio. ausgewiesen.

Je nach weiterer beziehungsweise abschliessender Rechtsprechung – unter anderem hinsichtlich Südanflugsbereich – können die Lärm­verbindlichkeiten in Zukunft noch wesentliche Anpassungen erfahren, die zu gegebener Zeit ebenfalls zu einer bilanzwirksamen Anpassung der aktivierten und passivierten Lärmkosten führen würden. Eine definitive Einschätzung der aktivierungspflichtigen Gesamtkosten, der sich daraus ergebenden Amortisationen sowie des entsprechenden Rückstellungsbedarfs ist derzeit noch nicht möglich.

Die Refinanzierung der Kosten aus Fluglärm erfolgt über Gebühren. Die wichtigste Gebühr für die Refinanzierung bildete bis zum 1. Februar 2014 eine separate Passagierlärmgebühr von CHF 5.00. Aufgrund einer Verfügung des BAZL über die Flugbetriebsgebühren vom 14. November 2013 wurde diese passagierabhängige Lärmgebühr (Lärmfünfliber) ab dem 1. Februar 2014 nicht mehr erhoben, da davon auszugehen ist, dass die Mittel des Airport Zurich Noise Fund ausreichen, um die aktuell geschätzten Kosten finanzieren zu können. Falls die zukünftigen effektiven Lärmkosten deutlich über der geschätzten Grössenordnung lägen, müsste die Gebühr mittelfristig wieder erhoben werden, um die Kosten decken zu können. Es werden weiterhin Flugzeuglärmgebühren er­hoben.