II Ermessensentscheide in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen sowie wesentliche annahmen und Schätzungsunsicherheiten

BILANZIERUNG DER KOSTEN IM ZUSAMMENHANG MIT DER LÄRMTHEMATIK

Die bilanzielle Behandlung der Lärmthematik ist komplex. Insbesondere der Bereich der formellen Enteignungen erfordert wesentliche Annahmen und Einschätzungen in Bezug auf die Aktivierungsfähigkeit entsprechender Kosten sowie die Pflicht zur Bildung entsprechender Rückstellungen. Die Komplexität ergibt sich aus der Vielzahl der rechtlich relevanten Grundlagen sowie der unsicheren beziehungsweise teilweise noch offenen Rechtsprechung und der politischen Diskussionen.

Die durch das Bundesgericht im ersten Halbjahr 2008 entschiedenen Grundsatzfragen hinsichtlich formeller Enteignungen ermöglichten es der Flughafen Zürich AG erstmals – mit allen nach wie vor verbleibenden Unsicherheiten in der Schätzgenauigkeit – eine zuver­lässige Schätzung der Gesamtkosten für formelle Enteignungs­entschädigungen vorzunehmen. Mit weiteren Urteilen vom 8. Juni 2010 und vom 9. Dezember 2011 setzte das Bundesgericht den Stichtag für die Vorhersehbarkeit der Ostanflüge definitiv auf den 1. Januar 1961 fest und entschied abschliessend über die anzuwendende Berechnungs­methode für Minderwerte bei Ertragsliegenschaften. Im ersten Halbjahr 2016 fällte das Bundesgericht zwei Entscheide in Pilotverfahren betreffend Entschädigungsforderungen aufgrund von Ost- und Südanflügen. Gestützt auf diese Bundesgerichtsentscheide und weitere seither letztinstanzlich entschiedene Grundsatzfragen nahm die Gesellschaft jeweils eine Neueinschätzung der Kosten für formelle Enteignungen vor, was jeweils zur Anpassung der Rückstellung für formelle Enteignungen und gleichzeitig des immateriellen Vermögens­werts aus Recht zur formellen Enteignung führte.

Im ersten Halbjahr 2018 fällte das Bundesgericht zwei Entscheide in Pilotverfahren betreffend genossenschaftliches Eigentum. Diese Bundesgerichtsentscheide ermöglichten der Flughafen Zürich AG eine Neueinschätzung der noch ausstehenden Kosten für formelle Enteignungsentschädigungen. Basierend auf der vorgenommenen Neuberechnung nahmen die erwarteten Gesamtkosten im Bereich der formellen Enteignungen von CHF 385.0 auf CHF 350.0 Mio. ab. Damit konnte die Rückstellung für formelle Enteignungen per 30. Juni 2018 um CHF 34.5 Mio. (nominal CHF 35.0 Mio.) reduziert werden (siehe Ziffer 19, Rückstellung für formelle Enteignungen sowie Lärm- und Anwoherschutz). Gleichzeitig wurde der immaterielle Vermögenswert aus Recht zur formellen Enteignung um denselben Betrag vermindert (siehe Ziffer 11, Immaterielle Vermögenswerte).

Per Bilanzstichtag betragen die geschätzten Kosten für formelle Enteignungen CHF 350.0 Mio. (31. Dezember 2017: CHF 385.0 Mio.), wovon CHF 72.1 Mio. zu diesem Zeitpunkt bereits ausbezahlt worden sind. Die noch ausstehenden Kosten in der Höhe von CHF 277.9 Mio. (Nominalwert) sind in der Konzernrechnung per 31. Dezember 2018 zum Barwert von CHF 275.2 Mio. ausgewiesen.

Im Bereich der Lärm- und Anwohnerschutzmassnahmen verpflichtete das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) die Flughafen Zürich AG im Zusammenhang mit dem Gesuch zum Betriebsreglement 2014, bis Ende Juni 2015 ein erweitertes Schallschutzprogramm einzureichen. Gestützt auf die durch das BAZL verfügte zulässige Lärmbelastung und unter Berücksichtigung der beim BAZL noch hängigen Änderungen im Rahmen des Betriebsreglements 2014 hat die Gesellschaft fristgerecht das Schallschutz­programm 2015 eingereicht. In diesem Zusammenhang verabschiedete der Verwaltungsrat an seiner Sitzung vom 22. Juni 2015 zusätzlich zu den bisher geschätzten Kosten von CHF 240 Mio. für den Lärm- und Anwohnerschutz weitere Massnahmen in der Höhe von CHF 100 Mio.

Die Flughafen Zürich AG ist verpflichtet, im Gebiet, wo sie Erleichterungen von Überschreitungen der Lärmgrenzwerte (Immissionsgrenzwert) beansprucht, Schallschutzmassnahmen umzusetzen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) ein Verfahren zur Nachtlärmsanierung eingeleitet. Dabei soll das Gebiet mit Erleichterungen gemäss dem Sachplan Infrastruktur Luftfahrt, den der Bundesrat am 23. August 2017 festgesetzt hat, erweitert werden. In diesem Zusammenhang wurden per 30. Juni 2018 zusätzlich zu den bisher geschätzten Kosten von CHF 340.0 Mio. für den Lärm- und Anwohnerschutz weitere Kosten in der Höhe von CHF 60.0 Mio. mit einem Barwert von CHF 57.6 Mio. zurückgestellt (siehe Ziffer 5, Übrige Erträge und Aufwendungen, bzw. Ziffer 19, Rückstellung für formelle Enteignungen sowie Lärm- und Anwohnerschutz).

Per Bilanzstichtag betragen die geschätzten Kosten für Lärm- und Anwohnerschutzmassnahmen CHF 400.0 Mio. (31. Dezember 2017: CHF 340.0 Mio.), wovon CHF 249.1 Mio. zu diesem Zeitpunkt bereits ausbezahlt worden sind. Die noch ausstehenden Kosten in der Höhe von CHF 150.9 Mio. (Nominalwert) sind in der Konzernrechnung per 31. Dezember 2018 zum Barwert von CHF 148.2 Mio. ausgewiesen.

Je nach weiterer beziehungsweise abschliessender Rechtsprechung – unter anderem hinsichtlich Südanflugsbereich – können die Lärm­verbindlichkeiten in Zukunft noch wesentliche Anpassungen erfahren, die zu gegebener Zeit ebenfalls zu einer bilanzwirksamen Anpassung der aktivierten und passivierten Lärmkosten führen würden. Eine definitive Einschätzung der aktivierungspflichtigen Gesamtkosten, der sich daraus ergebenden Amortisationen sowie des entsprechenden Rückstellungsbedarfs ist derzeit noch nicht möglich.

Die Refinanzierung der Kosten aus Fluglärm erfolgt über Gebühren. Die wichtigste Gebühr für die Refinanzierung bildete bis zum 1. Februar 2014 eine separate Passagierlärmgebühr von CHF 5.00. Aufgrund einer Verfügung des BAZL über die Flugbetriebsgebühren vom 14. November 2013 wurde diese passagierabhängige Lärmgebühr (Lärmfünfliber) ab dem 1. Februar 2014 nicht mehr erhoben, da davon auszugehen ist, dass die Mittel des Airport Zurich Noise Fund ausreichen, um die aktuell geschätzten Kosten finanzieren zu können. Falls die zukünftigen effektiven Lärmkosten deutlich über der geschätzten Grössenordnung lägen, müsste die Gebühr mittelfristig wieder erhoben werden, um die Kosten decken zu können. Es werden weiterhin Flugzeuglärmgebühren er­hoben.