II Ermessensentscheide in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen sowie wesentliche Annahmen und Schätzungsunsicherheiten

Bilanzierung der Kosten im Zusammenhang mit der Lärmthematik 

Die bilanzielle Behandlung der Lärmthematik im Bereich der formellen Enteignungen ist aufgrund der Vielzahl rechtlich relevanter Grundlagen sowie der unsicheren beziehungsweise teilweise noch offenen Rechtsprechung und der politischen Diskussionen komplex und erfordert insbesondere im Bereich der formellen Enteignungen wesentliche Annahmen und Einschätzungen in Bezug auf die Aktivierungsfähigkeit entsprechender Kosten sowie die Pflicht zur Bildung entsprechender Rückstellungen.

Bei der Flughafen Zürich AG sind rund 20’000 Lärmentschädigungsbegehren eingegangen, wovon Ende 2022 noch etwas über 5200 offen waren. Davon sind rund 560 Fälle bei der Eidgenössischen Schätzungskommission pendent.

Die durch das Bundesgericht im ersten Halbjahr 2008 entschiedenen Grundsatzfragen hinsichtlich formeller Enteignungen ermöglichten es der Flughafen Zürich AG erstmals – mit allen nach wie vor verbleibenden Unsicherheiten in der Schätzgenauigkeit – eine Schätzung der Gesamtkosten für formelle Enteignungs­entschädigungen vorzunehmen. Mit weiteren Urteilen setzte das Bundesgericht im Jahr 2010 den Stichtag für die Vorhersehbarkeit der Ostanflüge definitiv auf den 1. Januar 1961 fest und entschied im Jahr 2011 abschliessend über die anzuwendende Berechnungs­methode für Minderwerte bei Ertragsliegenschaften. Im Jahr 2016 fällte das Bundesgericht zwei Entscheide in Pilotverfahren betreffend Entschädigungsforderungen aufgrund von Ost- und Südanflügen und im Jahr 2018 zwei Entscheide in Pilotverfahren betreffend genossenschaftliches Eigentum. Im November 2019 fällte das Bundesgericht einen Entscheid in Pilotverfahren betreffend die Verjährung von Entschädigungsforderungen in Oberglatt. Gestützt auf diese Bundesgerichtsentscheide und weitere entschiedene Grundsatzfragen nahm die Gesellschaft jeweils auf diesen Zeitpunkt eine Neueinschätzung der Kosten für formelle Enteignungen vor, was jeweils zur Anpassung der Rückstellung für formelle Enteignungen und gleichzeitig des immateriellen Vermögens­werts aus Recht zur formellen Enteignung führte.

Per Bilanzstichtag betragen die geschätzten Kosten für formelle Enteignungen unverändert CHF 330.0 Mio., wovon CHF 86.6 Mio. bis zu diesem Zeitpunkt bereits ausbezahlt worden sind. Die noch ausstehenden Kosten in der Höhe von CHF 243.4 Mio. sind per 31. Dezember 2022 zurückgestellt (siehe Ziffer 19, Rückstellung für formelle Enteignungen sowie Lärm- und Anwohnerschutz).

Je nach weiterer Rechtsprechung – unter anderem hinsichtlich Südanflugsbereich am Flughafen Zürich – können die Lärmverbindlichkeiten in Zukunft noch wesentliche Anpassungen erfahren, die zu gegebener Zeit ebenfalls zu einer bilanzwirksamen Anpassung der aktivierten und der passivierten Lärmkosten führen würden. Eine definitive Einschätzung der aktivierungspflichtigen Gesamtkosten, der sich daraus ergebenden Amortisationen sowie des entsprechenden Rückstellungsbedarfs ist derzeit noch nicht möglich.

Im Bereich der Lärm- und Anwohnerschutzmassnahmen verpflichtete das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) die Flughafen Zürich AG im Zusammenhang mit dem Gesuch zum Betriebsreglement 2014, ein erweitertes Schallschutzprogramm einzureichen. Gestützt auf das eingereichte Schallschutz­programm verabschiedete der Verwaltungsrat im Juni 2015 zusätzlich zu den bisher geschätzten Kosten von CHF 240.0 Mio. für den Lärm- und Anwohnerschutz weitere Massnahmen in der Höhe von CHF 100.0 Mio. Die Gesellschaft ist zudem verpflichtet, im Gebiet, wo sie Erleichterungen von Überschreitungen der Lärmgrenzwerte (Immissionsgrenzwert) beansprucht, Schallschutzmassnahmen umzusetzen. In diesem Zusammenhang leitete das BAZL ein Verfahren zur Nachtlärmsanierung ein. Dabei wurde das Gebiet mit Erleichterungen gemäss dem Sachplan Infrastruktur Luftfahrt, den der Bundesrat im August 2017 festgesetzt hat, erweitert. In diesem Zusammenhang stellte die Flughafen Zürich AG Mitte 2018 zusätzlich zu den bisher geschätzten Kosten für den Lärm- und Anwohnerschutz weitere Kosten in der Höhe von CHF 60.0 Mio. zurück.

Per Bilanzstichtag betragen die geschätzten Kosten für Lärm- und Anwohnerschutzmassnahmen unverändert CHF 400.0 Mio., wovon CHF 300.4 Mio. bis zu diesem Zeitpunkt bereits ausbezahlt worden sind. Die noch ausstehenden Kosten in der Höhe von CHF 99.6 Mio. sind per 31. Dezember 2022 zurückgestellt (siehe Ziffer 19, Rückstellung für formelle Enteignungen sowie Lärm- und Anwohnerschutz).