Aktuelle Risikosituation

Die aktuelle Risikosituation der Flughafen Zürich AG wird im Wesentlichen durch die folgenden Risiken geprägt:

1. Rechtliche Unsicherheiten

Verschiedene in- oder ausländische Restriktionen könnten dazu führen, dass die Flughafen Zürich AG ihre Infrastrukturen nicht vollumfänglich nutzen kann, Zusatzinvestitionen und Kosten tragen muss oder weniger Erträge erzielen kann. Dazu zählen unter anderem:

1.1 FLUGHAFENGEBÜHREN

Aufgrund der erfreulichen Passagierentwicklung und der damit einhergehenden wachsenden Erträge im Fluggeschäft in den letzten Jahren sowie dem weiterhin tiefen Zinsniveau ist im Hinblick auf die nächste Gebührenperiode (voraussichtlich 2021 bis 2024) von einer Reduktion der Flughafengebühren auszugehen.

Nichtsdestotrotz hat das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) am 6. November 2019 aufgrund einer vermeintlichen Kostenüberdeckung die Senkung der Flugbetriebsgebühren (ausser Lärm- und Emissionsgebühren) um 15% bereits per 1. April 2020 bis zum Beginn der nächsten Gebührenperiode verfügt. Die Flughafen Zürich AG hat gegen diese Verfügung Beschwerde eingelegt.

1.2 Regelung über die Nutzung des süddeutschen Luftraums

Die Regelung über die Nutzung des süddeutschen Luftraums ist heute in einer durch Deutschland einseitig erlassenen Durchführungsverordnung (DVO) geregelt. Am 4. September 2012 unterzeichneten die damalige Bundesrätin Doris Leuthard und der damalige deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer den Staatsvertrag zum Flugverkehr. Der Staatsvertrag muss von beiden Seiten ratifiziert werden. In der Schweiz haben die eidgenössischen Räte dem Vertrag zugestimmt, in Deutschland wurde die Ratifizierung ausgesetzt. Ein Zeitplan für die Ratifizierung in Deutschland liegt nicht vor. Deutschland könnte die DVO auch einseitig verändern, was zu zusätzlichen Kapazitätseinschränkungen des Flughafens Zürich führen könnte.

1.3 Investitionen zur Reduktion der betrieblichen Komplexität

Die Komplexität des Pisten- und Rollweglayouts, der An- und Abflugrouten sowie diverser betrieblicher Bestimmungen am Flughafen ist hoch. Ausgelöst durch einen Vorfall von zwei startenden Flugzeugen am Pistenkreuz erstellten die Flughafen Zürich AG, Skyguide, die Swiss und die Luftwaffe unter Einbezug des BAZL und des UVEK im Jahr 2012 einen umfassenden Risikobericht. Darin werden diverse Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit vorgeschlagen. Ein Teil dieser Massnahmen wurde in der Zwischenzeit umgesetzt oder ist in Umsetzung, andere sind beim Bund beantragt. Ohne eine weitere Umsetzung von Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit besteht das Risiko von Kapazitätseinschränkungen und damit einer Beeinträchtigung der geschäftlichen Entwicklung.

1.4 Lärmbelastung

Das BAZL hat 2015 die zulässige Lärmbelastung für den Flughafen Zürich festgesetzt. Die Flughafen Zürich AG ist verpflichtet, jährlich die Fluglärmimmissionen gemäss Lärmschutzverordnung auszuweisen. Dabei sind allfällige Überschreitungen der zulässigen Lärmbelastung zu begründen und es sind Massnahmen aufzuzeigen, wie solche Überschreitungen zukünftig vermieden werden können. Steht fest oder ist zu erwarten, dass die Lärmimmissionen die zulässige Belastung auf Dauer wesentlich überschreiten, treffen die zuständigen Bundesstellen die notwendigen Massnahmen. Die zulässige Lärmbelastung wird bei den Landungen zwischen 22:00 Uhr und 23:00 Uhr sowie bei den Starts nach 23:00 Uhr wesentlich überschritten. Mit Verfügung vom 23. Juli 2018 hat deshalb das BAZL die für die Zuweisung von Zeitnischen (Airport Slots) ab dem Flugplan Sommer 2019 massgebende deklarierte Kapazität des Flughafens Zürich für Landungen ab 21:00 Uhr und für Starts nach 22:20 Uhr begrenzt. Unterdessen hat die Flughafen Zürich AG Massnahmen zur Verbesserung der Verspätungssituation in der Nacht aufgezeigt sowie die Anpassung der zulässigen Lärmbelastung beantragt (Betriebsreglementsänderungen 2014 und 2017). Zudem enthält der am 23. August 2017 durch den Bundesrat festgesetzte Sachplan Infrastruktur Luftfahrt (SIL) eine erweiterte Nachtlärmkurve. Gelingt es, die Verspätungsmassnahmen umzusetzen und kann das Gebiet mit der zulässigen Lärmbelastung eingehalten werden, kann die Flughafen Zürich AG die Aufhebung der Slotbegrenzung beim BAZL beantragen. Die Verfügung wurde vom Schutzverband der Bevölkerung um den Flughafen Zürich (SFBZ) angefochten und ist vor Bundesverwaltungsgericht hängig.

Dennoch hat das BAZL mit Verfügung vom 14. Mai 2018 der Flughafen Zürich AG die Auflage erteilt, eine Vorverlegung der letzten Slots am Abend zu prüfen. Dazu habe die Gesellschaft innert einem Jahr einen Bericht zu erstellen, in dem die betriebliche Machbarkeit, wirtschaftliche Tragbarkeit und die Wirkung auf die Lärmbelastung ausgewiesen und bewertet werden. Die Flughafen Zürich AG hat ein entsprechendes Gutachten erstellen lassen und fristgerecht beim BAZL mit dem Antrag eingereicht, auf eine Vorverlegung der letzten Slots zu verzichten, weil sie betrieblich, nicht nur aufgrund der Situation in Zürich, sondern vor allem auch aufgrund von Einflussfaktoren (Slots) an den Startflughäfen, nicht machbar und wirtschaftlich nicht tragbar ist. Das Gutachten wurde im September 2019 zusammen mit dem Betriebsreglement 2017 öffentlich aufgelegt. Dagegen gingen verschiedene Einsprachen und Stellungnahmen ein. Das Verfahren ist beim BAZL hängig. Falls die Lärmimmissionen für die Nachtstunden nicht neu festgelegt werden oder die letzten Slots vorverlegt werden müssen, würde dies den Drehkreuzbetrieb und die Interkontinentalverbindungen erheblich gefährden.

1.5 Zürcher Fluglärm-Index (ZFI)

Im Flughafengesetz des Kantons Zürich sind folgende Vorgaben enthalten:

  • Marschhalt: Wenn 320ʼ000 Flugbewegungen pro Jahr erreicht sind, erfolgt eine neue Lagebeurteilung durch den Kanton.
  • ZFI: Ein jährlich zu erhebender Monitoringwert soll mit einem vom Regierungsrat festgesetzten Richtwert (47ʼ000 Personen) verglichen werden.

In den letzten Jahren wurde der Richtwert von 47ʼ000 Personen jeweils deutlich überschritten. Verglichen mit dem Jahr 2000 ist die Überschreitung auf das hohe Wachstum der Bevölkerung in der Flughafenregion zurückzuführen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kanton Zürich im Verwaltungsrat oder über den Bund vom Flughafen die Umsetzung von Massnahmen verlangt, die die Entwicklung des Flughafens einschränken könnten.

1.6 Wegfall der bilateralen Verträge mit der EU

Die Ende August 2018 eingereichte «Volksinitiative für eine massvolle Zuwanderung» (Begrenzungsinitiative) führt zu Unsicherheiten in Bezug auf das Weiterbestehen des Personenfreizügigkeitsabkommens und somit der gesamten bilateralen Abkommen. Bei einer Aufkündigung der Verträge droht im schlimmsten Fall der Ausschluss aus dem Schengen-System. Daraus entstünden der Gesellschaft Sonderabschreibungen und Mehrkosten im Zusammenhang mit der Anpassung von betroffenen Infrastrukturen. Wegen allfälliger komplizierterer Visaverfahren müsste zudem mit einem Nachfragerückgang am Flughafen Zürich gerechnet werden.

2. nachfragerückgang

Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass der Luftverkehr ein wachsendes, wenn auch volatiles Geschäft ist, das sensitiv auf externe Ereignisse wie zum Beispiel Wirtschaftskrisen, Terroranschläge oder Epidemien reagiert. Solche Ereignisse könnten vorübergehend zu einem Nachfragerückgang am Flughafen Zürich führen. Darüber hinaus können auch weitere externe Faktoren wie beispielsweise das politische und makroökonomische Umfeld die Nachfrage sowohl im aviatischen wie auch im nicht aviatischen Geschäft am Flughafen Zürich negativ beeinflussen.

3. BETRIEBSUNTERBRECHUNG AUFGRUND OPERATIONELLER EREIGNISSE ODER NATURGEFAHREN

Der komplexe und eng verflochtene Flughafenbetrieb kann durch operationelle Ereignisse wie Unfälle oder Ausfälle kritischer Systeme empfindlich gestört werden. Je nach Ausmass der Beeinträchtigung muss der Betrieb zur Wahrung der Sicherheit von Reisenden und Flughafenmitarbeitenden eingeschränkt oder gar eingestellt werden. Die grossflächig angelegte Flughafeninfrastruktur ist Naturgefahren – insbesondere Erdbeben und Überflutung nach schweren Niederschlägen – besonders stark ausgesetzt. Um das Risiko klein zu halten, werden Infrastruktur und Betrieb robust gestaltet und soweit möglich kosteneffizient durch Sach- und Betriebsunterbruchsversicherungen abgedeckt.

4. information Security

Ein wesentlicher Teil der Abläufe und Prozesse der Flughafen Zürich AG kann ohne Unterstützung durch IT-Systeme nicht mehr ordnungsgemäss durchgeführt werden. Ein schwerwiegender Systemausfall, zum Beispiel durch einen Hackerangriff, könnte zu gravierenden Betriebsunterbrechungen oder zum Verlust von geschäftskritischen und / oder vertraulichen Daten führen.

5. HUB CARRIER

Wie jeder andere Umsteigeflughafen ist Zürich in erheblichem Masse von der betrieblichen und finanziellen Entwicklung seines Hub Carrier Swiss (beziehungsweise der Swiss-Muttergesellschaft Lufthansa) abhängig. Im Berichtsjahr betrug der Anteil von Swiss am Passagiervolumen 53.6% (Vorjahr: 52.9%). Swiss steuert innerhalb des Lufthansa-Konzerns überdurchschnittlich zum Gewinn bei, weshalb das Risiko eines Ausfalls des Hub Carrier aus wirtschaftlichen Gründen momentan als gering einzuschätzen ist. Kapazitätsreduktionen können jedoch nie ausgeschlossen werden.

6. Internationale Geschäftstätigkeit

Die Projekte und Beteiligungen im Ausland bergen grundsätzlich vergleichbare unternehmens- beziehungsweise branchenspezifische Risiken wie der Betrieb des Flughafens Zürich. Zu den standortspezifischen Risiken gehören nebst politischen Risiken typischerweise Länder-, Markt- und Währungsrisiken, die zu einer deutlichen Beeinträchtigung der zukünftigen Ertragsaussichten bis hin zu einem Totalverlust des Engagements führen könnten.

Aufgrund der höheren Risikosituation werden bei der Projektprüfung neben finanziellen Risiken auch politische und volkswirtschaftliche Risiken sowie die sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen vertieft analysiert und bei bestehenden Aktivitäten laufend überwacht. Dabei gelangen dieselben Standards wie am Flughafen Zürich zur Anwendung.

7. Kosten im Zusammenhang mit der Lärmthematik

Aufgrund von Art. 36a LFG (Luftfahrtgesetz) und dem Enteignungsgesetz des Bundes in Verbindung mit Art. 679 und 684 ZGB (Zivilgesetzbuch) sowie aufgrund von Art. 20 f. USG (Umweltschutzgesetz) und den entsprechenden Verordnungsbestimmungen hat die Flughafen Zürich AG Kosten für formelle Enteignungen und Kosten für Lärm- und Anwohnerschutzmassnahmen zu tragen. Das Überschreiten der seit 1. Juni 2001 gültigen Immissionsgrenzwerte für Zivilflughäfen ist gemäss heutiger Rechtsprechung eine von mehreren Voraussetzungen für derartige Ansprüche. Betriebskonzession sowie Luftfahrt- und Umweltrecht bilden die Grundlage, um die durch solche Forderungen entstandenen Kosten über Flughafengebühren zu refinanzieren. Im Sinne der Transparenz werden die Kosten und Erträge im Zusammenhang mit Fluglärm zusätzlich in der separaten Fondsrechnung des Airport Zurich Noise Fund dargestellt.

Die bilanzielle Behandlung der Lärmthematik ist insbesondere im Bereich der formellen Enteignungen aufgrund der Vielzahl rechtlich relevanter Grundlagen sowie der unsicheren beziehungsweise teilweise noch offenen Rechtsprechung und der politischen Diskussionen komplex und erfordert insbesondere im Bereich der formellen Enteignungen wesentliche Annahmen und Einschätzungen in Bezug auf die Aktivierungsfähigkeit entsprechender Kosten sowie die Pflicht zur Bildung entsprechender Rückstellungen.

Bei der Flughafen Zürich AG sind rund 20ʼ000 Lärmentschädigungsbegehren eingegangen, wovon Ende 2019 noch rund 6ʼ300 offen waren. Davon sind knapp 800 Fälle bei der Eidgenössischen Schätzungskommission pendent.

Je nach weiterer Rechtsprechung – unter anderem hinsichtlich Südanflugsbereich – können die Lärmverbindlichkeiten in Zukunft noch wesentliche Anpassungen erfahren, die zu gegebener Zeit ebenfalls zu einer bilanzwirksamen Anpassung der aktivierten und passivierten Lärmkosten führen würden. Eine definitive Einschätzung der aktivierungspflichtigen Gesamtkosten, der sich daraus ergebenden Amortisationen sowie des entsprechenden Rückstellungsbedarfs ist derzeit noch nicht möglich.

Die Refinanzierung der Kosten aus Fluglärm erfolgt über separate Gebühren. Da der Airport Zurich Noise Fund gemäss heutigem Wissensstand über genügend Mittel verfügt, um die gemäss Basisszenario derzeit abschätzbaren Kosten für formelle Enteignungen sowie Lärm- und Anwohnerschutzmassnahmen finanzieren zu können, wurde die passagierabhängige Lärmgebühr per 1. Februar 2014 sistiert. Die Flugzeuglärmgebühren auf Basis Flugbewegung und Lärmklasse werden weiterhin erhoben.